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Sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche Mecklenburgs

Lehrstuhl für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm legt vorläufigen Tätigkeitsbericht vor

Der Lehrstuhl für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm hat einen vorläufigen Tätigkeitsbericht über das Forschungsprojekt „Aufarbeitung und Dokumentation des sexuellen Missbrauchs von katholischen Priestern und anderen im Dienst der katholischen Kirche stehenden Personen an Minderjährigen in Mecklenburg" vorgelegt. Das Projekt war 2019 von Erzbischof Stefan Heße in Auftrag gegeben worden und soll Ende Februar 2023 abgeschlossen sein.

Der Bericht erwähnt kritisch die fehlende Unabhängigkeit des Beirats. „Eine Unabhängigkeit ist aber aufgrund des überproportionalen Verhältnisses von kirchennahen Personen nicht gegeben (9:3)", heißt es in dem Bericht. Weiter wurde die frühere Aktenführung „als sehr mangel- und lückenhaft" beschrieben, „wobei die bisherige Analyse keinen Anhalt für Manipulation und/oder Vertuschung" ergeben habe.

Das Erzbistum Hamburg hat inzwischen auf den Tätigkeitsbericht reagiert. Die Amtszeit des Beirats, die am 31. Oktober endete, ist nicht verlängert worden. Stattdessen ist ein neuer Beirat gebildet worden, dem nur die drei unabhängigen Persönlichkeiten des bisherigen Beirats angehören. Das sind Rechtsanwalt Frank Brand, die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, und der Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Zentrum für Nervenheilkunde der Universitätsmedizin Rostock, Professor Carsten Spitzer. Dieser Beirat soll so lange tätig sein, bis die Aufarbeitungskommission der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück ihre Arbeit aufgenommen hat und dann auch die Mecklenburger Untersuchung begleiten kann.

Zur Qualität der Aktenführung sagte Erzbischof Stefan Heße: „Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs ist zu einer Kernaufgabe des Erzbistums Hamburg geworden. Dabei gehört die Standardisierung in der Führung der Personalakten von Klerikern zu den wesentlichen Aufgaben, die auf Bundesebene vorangetrieben wurden. Ich habe die neue Rahmenordnung dazu bereits in Kraft gesetzt. Außerdem haben wir für das Referat Prävention und Intervention ein neues Konzept erarbeitet, das die Qualität der Aktenführung dort erheblich verbessern wird."

Das Aufarbeitungsprojekt sollte ursprünglich am 31. August 2022 abgeschlossen sein. Aufgrund coronabedingter Verzögerungen und der Ausweitung des Forschungsauftrags wurde der Vertrag inzwischen um ein halbes Jahr bis Ende Februar 2023 verlängert.

Dem Tätigkeitsbericht zufolge wurden bis Juli 2021 neun ausführliche Interviews mit Betroffenen und zehn weitere Interviews mit Kirchenvertretern und -vertreterinnen geführt. Zusätzlich wurden drei unabhängige Fachpersonen aus den Bereichen Geschichte, Politikwissenschaft und Journalismus zu den historischen und kirchlich-institutionellen Verhältnissen befragt.

Die verdachtsunabhängige Durchsicht von bisher 1017 Akten aus dem Diözesanarchiv, dem Referat Prävention und Intervention sowie dem Personalreferat des Erzbistum Hamburg, dem Archiv des Bischöflichen Amtes Schwerin (Heinrich-Theissing-Institut) und dem Pfarrarchiv Neubrandenburg ließen auf 16 geistliche Täter schließen.

Insgesamt seien den interviewten Betroffenen drei bereits verstorbene Täter zuzuordnen. Die Tathergänge seien in weiten Teilen ähnlich geschildert worden und zeigten inhaltlich große Überschneidungen. Die durchgeführte anonyme Befragung mittels Selbstbeurteilungsbögen habe ergeben, dass die Betroffenen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich häufiger über psychische Belastungen berichten.

Der Tätigkeitsbericht ist auf der Homepage des Erzbistums Hamburg unter www.erzbistum-hamburg.de veröffentlicht.


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